Gegenwartsbezüge – Verknüpfung historischer und aktueller Fragestellungen

In den Seminaren werden aktuelle menschenrechtliche Fragestellungen und historische Perspektiven aufeinander bezogen. Manche Seminare thematisieren Menschenrechte explizit, in anderen liegt der Schwerpunkt auf der historischen Einbettung aktueller Menschenrechtsfragen. In den Bildungsbausteinen und Seminaren lassen sich für das Handeln staatlicher Institutionen insbesondere in Bezug auf folgende Aspekte Verknüpfungen und Gegenwartsbezüge herstellen.

Gesellschaftliche und institutionelle Entwicklungen

Mit der Machtübertragung an die Nationalsozialisten im Januar 1933 veränderten sich die deutsche Gesellschaft und die staatlichen Organe nicht von heute auf morgen. Allerdings griffen die Nationalsozialisten in die Struktur und den Auftrag der staatlichen Institutionen ein. In den Seminaren werden gesellschaftliche Veränderungsprozesse ebenso in den Blick genommen wie personelle und strukturelle Eingriffe auf institutioneller Ebene und die Veränderung von Normen und Werten. Auch wird ein Bewusstsein für personelle und strukturelle Kontinuitäten im Bereich von Justiz, Polizei, Militär und Verwaltung nach dem Ende des Nationalsozialismus geschaffen, obwohl die Maßnahmen der Alliierten und die rechtlichen Normsetzungen der Demokratie auf das Handeln der MitarbeiterInnen dieser Institutionen zurückwirkten und für staatliche Institutionen andere Normen und Werte etabliert wurden. So haben diese Institutionen heute ein fundamental anderes Selbstverständnis als sie es in der Zeit des Nationalsozialismus besaßen.

Handlungsspielräume in Institutionen

Die Auseinandersetzung mit Handlungsspielräumen Staatsbediensteter während des Nationalsozialismus dient als Ausgangspunkt, um über das Verhältnis von Individuum, Institution und Gesellschaft bzw. Staat in Geschichte und Gegenwart nachzudenken. In den Seminaren werden beispielsweise folgende Fragen diskutiert: Wie viel Entscheidungsfreiheit haben MitarbeiterInnen staatlicher Institutionen? Wie ist es zu bewerten, dass sich Angehörige des Hamburger Reservepolizeibataillons 101 auf den Befehlsnotstand beriefen? Wie sehen heutige PolizistInnen ihren Auftrag? Wie ordnen JustizbeamtInnen die Kritik des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes an der deutschen Praxis der Sicherungsverwahrung ein? Wie bewerten VerwaltungsmitarbeiterInnen die im Asylrecht geltenden Einschränkungen? Wie gehen Angehörige staatlicher Institutionen damit um, dass nicht alle heute geltenden gesetzlichen Vorgaben mit den Menschenrechten vereinbar sind?

Menschenrechtliche Bezüge institutionellen Handelns

Die Orientierung institutionell-staatlichen Handelns an Grund- und Menschenrechten ist historisch gesehen keineswegs selbstverständlich, sie ist nicht zuletzt eine Konsequenz aus dem im Nationalsozialismus systematisch verübten Unrecht staatlicher Institutionen. Die Thematisierung vergangenen institutionellen Unrechtshandelns und die Analyse strukturell angelegter Diskriminierung innerhalb institutioneller Ordnungen kann den Blick für aktuelle Gefährdungen von Menschenrechten, die Institutionen, aber auch Gesellschaften inhärent sind, schärfen. Daraus resultiert die Frage: Wie muss institutionelles Handeln heute gestaltet sein, damit Menschenrechte geschützt werden? Die Diskussion dieser Frage erfolgt beispielsweise vor dem Hintergrund des aktuellen Spannungsfeldes zwischen den Freiheitsrechten des Individuums und dem Sicherheitsbedürfnis der Gesellschaft.

Auch bezogen auf die aktuelle Diskriminierung gesellschaftlicher Minderheiten, die ihre historischen Vorläufer im Nationalsozialismus und früheren Epochen der deutschen Geschichte hat, können menschenrechtliche Inhalte an einem Ort ehemaligen nationalsozialistischen Unrechts sinnvoll thematisiert werden. Als Beispiele sind hier der Umgang mit Sinti und Roma in Geschichte und Gegenwart oder die Ausgrenzung gesellschaftlicher Randgruppen zu nennen. Es kann weiterhin darüber gesprochen werden, wie wichtig es ist, uns selbstverständlich erscheinende Rechtsgrundsätze der Demokratie zu verteidigen, beispielsweise im Umgang mit Sicherungsverwahrten und Flüchtlingen.