Modul A: Assoziative Seminareinstiege. Reflexive Auseinandersetzung mit historischen und gegenwartsbezogenen Bildern in der Bildungsarbeit zu Antiziganismus

Kathrin Herold

 

Zielgruppen
Die Methode ist für Seminargruppen jeden Alters geeignet

 

Themen, Fragestellungen und Ziele
Antiziganistische Ressentiments, die Grundlage für Gewalt, Handlungen, Meinungen und Sprechakte sind, bedienen sich – und hier sind sie vergleichbar mit den Strukturen von Rassismen und Antisemitismus – aus einem Vorrat von „Bildern“. Diese Bilder haben nichts mit den Betroffenen, aber viel mit der gesellschaftlichen Verfasstheit der Sprechenden zu tun. Die Bilder haben starke Rückwirkungen auf die Identitätskonzepte der Betroffenen. Dabei gibt es sowohl positiv wie negativ konnotierte Bilder, die gleichermaßen gefährlich sind, weil alle Stereotype Grundlage für Verallgemeinerungen sind. Vorurteile haben meist eine lange Geschichte, sind über Jahrhunderte tradiert und immer weiter fortentwickelt worden.

 

Um es konkret zu machen: Alle TeilnehmerInnen eines Seminars haben Vorstellungen davon, was ein „Zigeuner“, eine „Zigeunerin“ ist, aber auch, was „Sinti und Roma“ sind. Diese Vorstellungen können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein, bei manchen sind es eher subtile Abneigungen, bei anderen sind es Gewissheiten, die vehement durch persönlich Erlebtes (Nachbarschaften, Erfahrungen in der U-Bahn u. Ä.) belegt werden. Unwissenheit besteht in der Regel bezüglich der unterschiedlichen Lebenssituationen von Roma in Europa, den historischen und gegenwärtigen Formen von Diskriminierungen und den gesellschaftlich-historischen Bedingungen antiziganistischer Ressentiments.

 

Dieser Befund veranlasste mich dazu, für Seminare und Workshops in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme über historische und gegenwärtige Formen von Antiziganismus einen assoziativen Bilder-Einstieg zu entwickeln. Entstanden ist ein Set aus laminierten A4-Fotografien und -Abbildungen, dessen Einsatz im Folgenden beschrieben werden soll. Als Ausblick werden dann allgemeinere Überlegungen zur Methode und ihrer Übertragung auf andere Seminarformate und -themen vorgestellt.

 

Ein gelungener Seminareinstieg erweist sich in aller Regel als elementar, um einen offenen und interessierten Lernprozess in der Gruppe in Gang zu setzen. Der „assoziative Einstieg über Bilder/Fotos“ bietet die Chance, Facetten eines gesamtgesellschaftlichen Bildervorrats innerhalb der Gruppe sichtbar und damit verhandelbar zu machen. Zwangsläufig werden Begrifflichkeiten zur Disposition gestellt, Unwissenheit und Unsicherheiten können zutage treten. Die Methode soll dazu ermutigen, Fragen aufzuwerfen. Erwartungen, Zweifel, Irritationen und „mitgebrachte Bilder“ (in den Köpfen) können zur Sprache gebracht werden. Durch den aktivierenden Aspekt der Methode, der darin besteht, dass jede Person aufgefordert ist, etwas zum jeweils ausgewählten Bild zu sagen, besteht auch die Gelegenheit eines ersten gegenseitigen Kennenlernens. Die Methode bietet die Chance, quellenkritisches Nachdenken über Fotografien und Abbildungen anzuregen: In welchem Kontext und für wen ist ein Foto entstanden? Was löst es warum beim Betrachtenden aus? Wovon existieren überhaupt Bilder und wovon nicht?